Podcasts von Radiosendern -
Interview mit Michael Praetorius

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Michael Praetorius ist langjähriger Redakteur bei Antenne Bayern. Seit ein paar Monaten hat er sich dem Podcast-Angebot des Sender angenommen. Dieses Interview ist im Rahmen der Studienarbeit von Martin Bauer entstanden. (Bauer, Martin: „Vom iPod zum IRadio: Podcasting als Vorbote des indvidualisierten Hörfunks“, Masterarbeit an der Fachhochschule Mittweida, März 2007, 202 Seiten, PDF)
Wie geht Antenne Bayern mit dem Thema Podcasting um? Wir haben bei Antenne Bayern das Thema Podcasting zu den Olympischen Spielen in Turin gestartet. Wir probieren Inhalte im Programm aus, von denen wir denken, dass sieauch als Radio- On- Demand Sinn machen. Wir lehnen uns dabei nicht zu weit aus dem Fenster. Wir haben sowohl Formate in der Zweitverwertung als auch Formate in der Erstverwertung. Zweitverwertungsformate sind z.B. die Talk-Sendung am Samstag oder die„Kinoreportage“. Es gibt aber auch Erstverwertungen, wie z.B. der Podcast von mir \"Drahtlos in Bayern\" und es gibt auch eine ganz neue Erstverwertung seit ein paar Wochen. Das ist ein eigener Nachrichten-Podcast. Das ist eine eigene nur für Podcasts gesprochene Nachrichtensendung, die extra von einem Redakteur einmal am Tag produziert wird als Nachrichtenzusammenfassung, „Bayern und die Welt\". Wir haben dafür kein eigenes Budget im Hause frei gemacht, das geht aus der Redaktion und unserer Internetabteilung heraus. Wir beobachten das. Es ist so, dass wir mittlerweile einen gewissen Erfolg feststellen, zumindest, was die Zugriffszahlen angeht. Das Wichtigste ist allerdings, dass wir eigentlich sagen, wir wollen da dabei sein. Wir möchten die Marke Antenne Bayern auch in Plattformen positionieren, von denen wir denken, dass es wichtig ist, auch dort mit dabei zu sein, sprich iTunes z.B. bei einem iPod oder eben auch andere Podcastingplattformen, die jetzt demnächst kommen werden.

Wie hoch sind die Downloadzahlen?
Wir geben keine konkreten Downloadzahlen raus. Wir sind aber mit den Downloadzahlen sehr zufrieden. Antenne Bayern hat eine Website mit sehr, sehr starken Pageimpressions im Vergleich zu anderen konsumorientierten Websites. Antenne Bayern hat die größte deutsche Radio-Website. Die Podcasts sind natürlich noch weitaus geringer als das, was wir normalerweise im Web erreichen. Wobei wir natürlich auch sagen müssen, dass wir unsere Podcast-Zahlen nicht allein über iTunes messen, also nicht nur über den reinen Download des RSS-Feeds. Wir sagen auch, dass jeder Podcast auch gleichzeitig für uns ein Web-Cast ist. Man kann sich die Sachen auch ohne iTunes oder ohne einen mp3-Player auf Antenne.de runterladen, dadurch haben wir natürlich auchdementsprechend höhere Abrufzahlen, wo natürlich auch die Leute an das Thema Radioon demand auf eine ganz andere Art und Weise herangeführt werden können als nur über iTunes-Downloads. Es sind mehrere Tausend Downloads pro Feed. Wir können davon ausgehen, dass wir auf jedem Feed mehrere Tausend Abonnenten haben. Das ist nicht schlecht. „Drahtlos in Bayern\" ist seit Anfang an, seit der 3. Woche in den iTunes Special-Interest-Charts. In der Kategorie, in der „Drahtlos in Bayern\" geführt wird, sindwir jetzt seit Anfang an in den Charts. Zwischen Platz 2 und Platz 16.Welche Philosophie steckt hinter dem Antenne Bayern News-Podcast?Wir wollen damit dem Hörer eine Zusammenfassung des Tages geben, zu den Themen,die wir für wichtig halten. Wir machen eine Tageszusammenfassung der Antenne Bayern-Nachrichten einmal um 15:30 Uhr nachmittags, weil wir davon ausgehen, dass die Leute nachmittags oder abends ihre Podcasts aktualisieren und nicht in der Früh, bevor sie in die Arbeit fahren.

Es gibt Sender, die sind der Meinung, dass Podcasting momentan Hörer nur dazu bewegt, Radio nicht mehr einzuschalten. Deswegen bieten sie keine Podcasts an. Wie sieht das Antenne Bayern?

Das ist eine sehr kontroverse Diskussion. Wir haben die Diskussion in verschiedenenStadien im Hause natürlich auch geführt. Wir sind aber so, dass wir generell jedenStandpunkt einfach mal gelten lassen. Jede These, die man selbst aufstellt, kann manauch selbst infrage stellen, das macht die Sache natürlich offen für alle möglichen Seiten. Wir haben auch diese Anfangsdiskussion gehabt, ob wir Leute, wenn wir auf Antenne.de Podcast teasen, nicht zu Podcasthörern machen, die wir eigentlich als Antenne Bayern-Hörer behalten möchten. Ich glaube nicht, dass sich diese beiden Medien ausschließen. Im Gegenteil. Wir wollen Antenne Bayern auf andere Geräte bringen. Und es gibt entweder die Möglichkeit, dort gar nicht vorhanden zu sein oder dort in den möglichen Formaten vorhanden zu sein. Und wenn wir anschauen, wie sich Geräte verändern; Leute lassen teilweise in einen Audi oder einen BMW lieber einen iPod einbauen als ein Autoradio, dann muss man sich schon die Frage stellen, ob das nicht vielleicht auch sinnvoll ist, auf diesen anderen Plattformen mit On- Demand- Inhalten dabei zu sein.

Sie sind selbst Podcaster, Sie haben diverse Erfahrungen mit Podcasts. Welche Formate sind für Podcasts geeignet und welche sind weniger geeignet?
 
Wir machen da ganz unterschiedliche Erfahrungen. Wir haben festgestellt, dass sehrskurrile Formate funktionieren, wenn man sie kurz hält. „Drahtlos in Bayern\" ist ein Beispiel dafür, wo wir sehr skurrile Geschichten haben. Beispiel: Gestern hab ich ein Interview über den neuen iPod auf der Wiesn in einem fahrenden Karussell geführt, wo man eigentlich von dem Apple-Pressesprecher außer „uah, jetzt geht es wieder rund\", nicht viel mehr hört als ein paar Produktneuheiten. Wir können Geschichten anders aufbereiten, als wir das im Radio machen können. Witzige Sachen kommen sehr gut an. Was auch sehr gut ankommt sind Dinge, die man woanders einfach nicht bekommt. Also beispielsweise ein Antenne Bayern-Gartentipp. Den würden wir jetzt im Programm nicht unbedingt als Programm-Highlight, was unsere Zuschauer- oder Zuhörerzahlen angeht, betrachten. Das würden wir also nicht unbedingt in die Primetime setzen. Der kommt als Podcast sehr gut an, weil es eben keine vergleichbaren Inhalte gibt. Exklusivität zählt sehr viel. Was man natürlich nicht unterschätzen darf, ist der Community-Einfluss. Wir können durchaus sagen, dass momentan Formate, wie z.B. einskurriler Drahtlos-Podcast, noch besser laufen als die Nachrichten. Das kann sich jetzt umkehren, wenn die Zuhörerschaft in iTunes breiter wird. Es gibt ja immer mehr allgemeiner Inhalte. Am Anfang waren es doch eher intellektuelle oder computerbasierte Inhalte, die größer nachgefragt waren. Mittlerweile ist es eher Comedy, aber auch ganznormale Kinotrailer werden jetzt nachgefragt. Z.B.: RTL2-Nachrichten. Dementsprechendmuss man jetzt auch erkennen, dass sich da natürlich die Zielgruppe ändert, mit der man Podcast generell anspricht. Ich glaube, dass die gleichen Inhalte, die jetzt im Radio funktionieren, später auch in einem Podcast funktionieren. Alles, was man eigentlich gerne noch mal hören möchte, oder, von dem man denkt, man will es nicht verpassen. 

Wie sieht es mit der Länge eines Podcasts aus? Haben Sie da Erfahrungen? 
Was z.B. nicht funktioniert, ist diese klassische Radioidee, dass man ein Verpackungselement immer braucht. Also es muss nicht immer eine Verpackung geben, die anfängt mit „Antenne Bayern Podcast bla-bla-bla“ und immer aufhört mit „Antenne Bayern Podcast“. Das kennen wir vom Radio: Positionierung von Inhalten. Das funktioniert beim Podcasting z.B. nicht, da müssen wir andere Wege gehen, weil das den User langweilt, wenn er sich zehn Folgen runterlädt und alle zehn Folgen fangen gleich an und hören gleich auf. Da muss man beim Thema Verpackung neue Wege gehen und kreativ sein. Außerdem muss man bei den Folgen einfach sehen, wie viel ist der Userbereit, zu hören, was will er sich überhaupt runterladen. Ich habe mit kürzeren Folgenbessere Erfahrungen gemacht. Ich glaube, dass so eine Länge von zwei Minuten auch als Podcast sehr gut durchführbar ist, weil die Leute irgendwann einfach aussteigen. Das sind die ganz normalen Hörgewohnheiten. Sicherlich ist die Verweildauer auf einem eigenen iPod größer, aber natürlich kann man bei dem iPod genauso gut vorspulen, wie man bei einem Radio auch einfach umschalten kann. 

Wieso ist es eine Chance fürs Radio?
Ich glaube, dass Podcast nicht nur eine Chance für Radio ist. Ich glaube, dass Podcasting eine Chance für alle ist, die gerne etwas publizieren möchten und dabei die Chance haben, ungeachtet einer Werbeplattform, gehört oder gesehen zu werden. Ich sehe das vor allem gerade bei dem Thema Video-Podcasting, dass wir einfach andere Möglichkeiten haben. Durch die Videopodcasts von Antenne Bayern werden wir einfach anders wahrgenommen. Es gibt mittlerweile sehr viele Geräte, die mit einem Radio nichts mehr zu tun haben. Wir unterhalten uns jetzt darüber, ob wir über UKW, über Mittelwelle, über DAB, oder DVBT gehen, welche Verbreitungen es auch immer gibt. IP ist aber einfach ein Standard, der sich seit Jahrzehnten dank Internet durchsetzt und mit dem man jetzt einfach einen gemeinsamen Standard gefunden hat. Dieser Standard heißt RSS, ein Standard, der Text verbreiten kann, ein Standard, der PDF-Dokumente verbreiten kann, Videos verbreiten kann, Audios verbreiten kann. Es gibt immer mehr Geräte und auch Reader, also auch Software, die RSS interpretieren können. Es gibt mittlerweile Websites, dieRSS interpretieren können, sodass wir mittlerweile eine Sony Playstation Portable haben, die podcastfähig ist. Es wird sicherlich demnächst auch mal einen iPod geben, der drahtloses Internet hat. Der kann dann auch Podcasts live herunterladen. Ein Zune-Player von Microsoft, der vor Weihnachten rauskommt, wird drahtloses Netzwerk haben und wird auch On- Demand- Inhalte runterladen können.Es gibt aber auch andere Plattformen wie z.B. Spielekonsolen, die im Wohnzimmer bereits stehen, die zwar noch nicht auf Podcasting setzen, aber auf was sehr Ähnliches, nämlich auf sogenannte Marketplaces, also sprich vordefinierte Kanäle. In solchen Bereichen spricht man immer von Walled-Garden-Angeboten, also eingezäunter Garten, wo man Inhalte anbietet. Die Frage ist, wann werden die Firmen in diesem Bereich kapieren, dass sie diese Walled-Garden-Angebote öffnen bzw. da Podcasting mit einbauen, einfach als Senderliste, als Anbieterliste. Wenn man sich z.B. ein Windows-Media-Center anschaut, dann kann ich da bereits an meinem PC sehr viele neue Kanäle auch reinholen, die eben rein übers Internet angeboten werden. Also der Bereich IP-TV.Und ob ich jetzt IP-Radio oder IP-TV mache, macht überhaupt keinen Unterschied. Defacto ist die Chance durch Podcasting, Radio in viel mehr Medien und auf viel mehr Plattformen zu bekommen, als wir das derzeit mit UKW können. Wir haben mit UKW sicherlich die größte Verbreitung, die man derzeit im Vergleich zu anderen Medien haben kann, als Radiosender. Aber es gibt durchaus auch Möglichkeiten, auf Spielwiesen zu spielen, auf denen wir momentan gar nicht sind, und auf denen andere momentangrößer sind. Da muss man einfach schauen, dass althergebrachte, etablierte Marken, wie z.B. Antenne Bayern, auf neuen Plattformen präsent sind: wie auf iTunes, wie auf einemmp3-Player, wie im iPod oder auf einer Playstation oder sonst irgendwas. Überall da, wo man es halt kann. Der zweite Punkt: Es gibt z.B. unheimlich viele Unternehmen, die auf einmal selbst anfangen, zu publizieren. Unternehmen wie BMW oder Coca Cola, die auf einmal anfangen normale Radiosender und Fernsehsender zu werden und selbst Inhalte veröffentlichen, die, nebenbei erwähnt, gar nicht schlecht sind. Die finden sicherlich auchAbnehmer. Ein Aspekt bzgl. des Live-Charakters des Radios: Wenn wir heute ein Nachrichtenstück aus dem Nachrichtenstudio abfahren, dann ist das für den Hörer draußen live. Wenn ich das Nachrichtenstück aber einspiele, in meine Nachrichtensoftware, dann ist das für mich als Redakteur bereits on demand. Das bedeutet, dass der Charakter zwischen live und On-Demand verschwinden kann. Denn wenn der Podcast auf dem Server liegt und ich ihn sofort runterladen kann, dann ist der quasi live. Er ist vielleicht 20 Sekunden alt, weil ich ihn erst vor 20 Sekunden online gestellt habe. Ein Interview, das ich jetzt führe, kann ich 20 Minuten später online stellen. Also diese Diskrepanz zwischen live und on demand wird immer dünner werden. Wenn man sich jetzt im Fernsehen z.B. einen Beitrag von N-TV anschaut, dann haben die den auch vor Minuten schon auf den Serveraufgespielt. Also das verschwimmt. 

Durch das standardisierte einfache Verfahren mit IP und RSS können jetzt viel mehr Anbieter auf den Markt drängen. Das Problem könnte doch sein, dass Antenne Bayernjetzt nicht mehr nur den Bayerischen Rundfunk und die Lokalsender als Konkurrenz hat, sondern das komplette Internet. 
Ja, aber das ist doch sowieso schon so. Momentan gibt es eine Studie, die sagt uns, Leute hören grundsätzlich weniger Radio und schauen weniger fern, dafür nutzen sie mehr das Internet. Wir erfahren aber eigentlich nicht wie ihre Internetnutzung aussieht. Ob sie jetzt bei YouTube sind, ob sie Tagesschau.de lesen, ob sie bei Bravo.de surfen oder auf einer Xbox online spielen. Wir wissen nur, ihre Computernutzung geht nach oben und ihre Internetnutzung. Es ist doch viel schöner, wenn man seinen Konkurrenten oder seinen Mitbewerber oder seinen Mitspieler besser kennt und sagt, wir spielen auf derselben Plattform. Die Leute haben eine andere Mediennutzung und machen mittlerweile auch andere Sachen. Und in drei oder vier oder fünf Jahren wird es dann heißen, die Leute schauen halt Yahoo-Musik oder schauen halt lieber auf einen x-box360-Marketplace oder schauen bei Google- Video rein oder hören nebenbei einen Antenne Podcast. Ich glaube nicht, dass das für Radiosender eine größere Gefahr ist. Diesen Konkurrenzdruck durch neue Inhalte, den haben wir ja jetzt sowieso schon. Wir bewegen uns momentan auf anderen Plattformen. Wir haben auf der jetzigen Plattform UKW weniger Mitbewerber. Aber Nutzer begehen einfach einen Medienbruch, indem sie einfach die Plattform wechseln. 

Ein Szenario könnte folgendermaßen aussehen: Internetportale stellen nur Feeds zur Verfügung, die auf Content von vielen verschiedenen Anbietern zurückgreifen. Darunter können Podcasts von Privatsendern, von öffentlich-rechtlichen Sendern, aber auch von Privatpersonen sein. In dieses Szenario können nun auch große Unternehmen einsteigen, die mit Radio bisher nichts zu tun hatten. Teilweise sind sie das ja schon. Wie kann sich eine Marke wie Antenne Bayern in diesem Umfeld dann noch behaupten? 
Über Individualität, über Eigenständigkeit, über Qualität. Wir reden immer noch von der Unique Selling Proposition (USP)Es gibt mittlerweile sehr viel community- basierende Angebote. Also wenn wir uns z.B. YouTube anschauen, dann sehen wir, dass die Inhalte ganz oben sind, die bei Usern einfach hoch geratet werden bzw. oft hin und her geschickt werden. Das ist ja genau der Effekt, den wir im konventionellen Radio auch haben. Derzeit läuft es so, dass wir eine Programmaktion machen, die ist für den Zuhörer so interessant, dass er auf einmal anfängt, seinem ganzen Freundeskreis davon zu erzählen: „hey, hör mal Antenne Bayern, da gibt es das und das und das.“ Den gleichen Effekthaben wir ja auch in Onlinemedien. Dass wir etwas bereitstellen, wo ein User sagt, es war sauwitzig, das maile ich meinen Freunden. Oder der User sagt: „das war hochspannend, das war sehr emotional,“ wie auch immer. Es war auf alle Fälle für ihn so wertvoll, dass er gesagt hat: „Das gebe ich per Mund-zu-Mund-Propaganda oder per E-Mail oder per Link an mein Freunde weiter.  „Man kann das ja auch über neue dynamische Community-Methoden machen. Man sagt, dieser Inhalt hat dir gefallen, der hat auch Freunden gefallen. Oder Freunde von dir haben auch das und das gehört. Wir kennen das von iTunes, wo wir auch sehen, Hörer, die den Nachrichten-Podcast von Antenne abonniert haben, haben auch evtl. das Bayern 1 Betthupferlabonniert. Das ist also das Empfehlungssystem. Über Community wird guter Inhalt weitergetragen. Ich glaube, dass das das Entscheidende ist. Inhalte die schlecht sind, über die nicht gesprochen wird, werden nicht oben liegen. Es geht auch, glaube ich, gar nicht mehr darum, in Zukunft immer mit der Marke oben zu sein, sondern oft mit einem Inhalt oben zu sein. Ich glaube, das ist ganz wichtig. Wenn wir z.B. darüber nachdenken, dass es Anbieter gibt, wie z.B. die Skype Gründer, die jetzt ein Venice Project haben, wo sie sagen, sie sammeln einfach Inhalte aus allen möglichen Kanälen - deswegen auch der Name Venice Project, also Venedig. Die bringen das auf einer Plattform zusammen. Da geht es gar nicht mehr darum, ob wir da jetzt eine Plattform haben, die Antenne Bayern heißt, sondern es geht eigentlich nur darum, in dieser Plattform oder in diesen neuen Plattformen möglichst oft dabei zu sein und die eigenen Inhalte möglichst auch gut vermarkten zu können. 

Das würde ja bedeuten, dass die jeweiligen Radiostationen sich dann mehr zu Audio-Content- Anbietern entwickeln. Die Marke würde dann wieder in den Hintergrund rutschen.
Das kann ein Szenario sein, das muss nicht das Hauptszenario sein. 

Welches Szenario können Sie sich noch vorstellen? 
Es kann auch alles so bleiben wie es ist. Also ich kann mir auch das durchaus vorstellen. Podcasting wird Radio nicht zum Aussterben bringen. Wie gesagt, wir haben unterschiedliche Kommunikationsweisen, und es wird auch weiterhin den Wunsch eines Zuhörers geben, einfach ein Gerät einzuschalten, und etwas zu hören, wo er weiß, da kriegt er immer das, was er mag. Bei den Podcatchern oder den Channel-Auswahlgeräten, weiß ich nie, was ich bekomme und muss mir erstmal ein Profil anlegen. Das hat etwas sehr Unbequemes, denn ich muss erstmal wissen, was ich will, um dann das zubekommen, von dem ich denke, dass ich es will. Und das haben wir ja beim Radio nicht, sondern im Radio gibt es einen unheimlich großen Vertrauensvorsprung. Hörer schalten Antenne Bayern ein, weil sie davon ausgehen, dass das, was jetzt kommt, auch das ist, was sie wollen. Die Erfahrung haben die Hörer in der Vergangenheit bereits gemacht. Und diesen Vorteil haben die Podcasts halt nicht. Wenn ich ein iTunes anmache, heißt das noch lange nicht, dass die Inhalte kommen, die ich mag, sondern ich muss mir erstmal zusammensuchen, was ich möchte. Und ich behaupte mal, dass 95 % der Zuhörer, die konventionelle Medien nutzen, eben gar nicht, was sie wollen und eben vielleicht mal gerne vorgeschlagen bekommen: „Hör’ doch mal das, das könnte interessant sein für dich.“ Ich glaube durchaus, dass das jetzige konventionelle Radioprogramm, auch inhaltlich, also nicht nur als reine Musikclipstation, noch Zukunft hat und auch weiterhin bestehen bleibt. Einem Zuhörer gute Musik zu geben und nebenbei noch die Basisinformationen, Nachrichten, Wetter, Verkehr, Serviceangebote, ein bisschen Comedy nebenbei zu geben, wird weiterhin Erfolg haben, weil die Leute dabei nicht überlegen müssen, was sie wollen. Sie können sich daraufverlassen, dass das, was sie kriegen, auch das ist, was sie wollen. 

Damit wäre ja der Markenaspekt dann wieder gestärkt. Die Marke bleibt bestehen. 
Ich glaube, dass es beides ist. Wir müssen sicherlich als Vollprogramm bestehen bleiben, und ich glaube, da zweifelt auch niemand dran. Da gibt es auch im Haus überhaupt keine Diskussionen. Wir spielen mit dem Podcasting auf einer neuen Plattform, wo wir sagen, wir ziehen uns das Beste von Antenne Bayern oder vieles, was wir gemacht haben, noch mal raus, geben es als On- Demand- Angebot noch mal zum Nachhören in neue Plattformen, zeigen damit Stärke, wo wir eben bisher noch nicht hörbar waren. Andere haben vielleicht auch gar nicht diese Manpower und diese Qualität, das leisten zu können. Radio muss man auch können und auch Inhalte muss man produzieren können. Und da haben wir im Hause doch sehr gute Qualität oder zumindest gute Erfahrungen, was z.B. Verpackungselemente angeht, wie man sie auch für Podcasting anders machen muss, was aber auch Inhalt angeht. Und wir können natürlich auch hier rumexperimentieren.Das Schöne ist, dass das Internet einfach sehr entgrenzt ist und wir sicherlich auch hier Spielwiesen haben, wo wir auch Dinge ausprobieren können, von denen wir dann in einem halben Jahr sagen, die haben funktioniert oder die haben nicht funktioniert. 

Bei den Lokalrundfunktagen haben Sie auf das Projekt von Microsoft verwiesen: Windows Live. Sie meinten damals, dass das richtig spannend werde könnte. Wenn wir uns jetzt einen Live-Service anschauen von Microsoft, das ist eine Website, die mehr oder weniger leer ist, auf der ich RSS-Feeds abonnieren kann, und mir dann meine Nachrichtenseite zusammenstelle, ähnlich wie wir es von einer Nachrichtensoftware in den Redaktionen kennen. Da bekomme ich ein bisschen Spiegel-Online, ich kriege ein bisschen Tagesschau, ich kriege ein bisschen Chip.de, ein bisschen Heise.de, was ich halt auch immer möchte, und kann mir dann quasi meine Nachrichten zusammenpersonalisieren. Live.com ist eine Website, auf der ich keine einzige Werbung mehr habe von den Anbietern der jeweiligen Inhalte. Da ist natürlich der Inhaltsanbieter außen vor. So ein Onlineservice lässt sich natürlich auch sehr leicht für Video- oder Audio-Podcasts bauen, weil es dieselbe Technik ist. Also auch wieder RSS und ich muss mir das nur zusammen würfeln. Wobei wir natürlich da, also gerade bei Bildern, bei visuellen Medien es natürlich leichter haben durch Product-Placement. Also Fernsehsender haben da deutlich mehr Erfahrung: einfach eine Werbenennung in ein Bild einzubauen und den Content dabei noch sauber zu halten. Da wird sicherlich viel passieren, um zu verhindern, dass ein Anbieter XY die Inhalte, die teuer produziert wurden, versucht, untereigenem Brand weiter zu vermarkten. Für Radiosender ist das durchaus schwieriger. Also so ein Horrorszenario für einen Radiomacher könnte durchaus so aussehen, dass jemand herkommt und sagt, er hat einen RSS-Reader und sagt, du möchtest ein bisschenNachrichten von Bayern 5 hören, du möchtest gerne die Comedy von Antenne Bayern hören und hintendran das Bayern 1-Betthupferl, und dann am besten noch die Reportagen von NDR und dann noch ein bisserl was von Radio Salzburg. Das ist dann das Horrorszenario, weil die Werbung, mit der wir ja das Programm finanzieren, in diesen Inhalten gar nicht eingebaut ist. Und das ist aber auch für einen Journalist das Horrorszenario, weil das eigentlich heißt, dass man Inhalt und Werbung wesentlich enger zusammenpacken muss, damit das auch nicht mehr trennbar ist in einem solchen Fremdformat. Das ist so ein Szenario, wo man wirklich aufpassen muss, dass man da sich auch treu bleibt und sich überlegt, was geht. Auf der anderen Seite ist das natürlich auch eine Werbeplattform für uns selbst, wenn Inhalte von Antenne Bayern oft abonniert werden. Vielleicht greift dann auch mal der Zuhörer auf das Radioprogramm zurück. Vielleicht gibt es ja auch Möglichkeiten journalistisch, diesen Spagat zu schaffen, dass man sagt: Das ist dieser Inhalt, jetzt beginnt eine ganz kurze Werbestrecke von fünf Sekunden und dann kommt wieder Inhalt. Ich glaube nicht, dass diese Drei-Minuten-Werbeblöcke noch bestehen werden. Zumindest nicht bei On- Demand- Medien, sondern es geht nur ganz kurz mal eine Werbung, dann wieder langer Inhalt, kurz mal wieder eine Werbeunterbrechung, langer Inhalt, dass sich das Vorspulen, das Skippen gar nicht lohnt für den Zuhörer. Aber die Vermengung von Werbung und Inhalt muss auch weiter ein Tabu bleiben. 

Wie könnte man ein solches „Horror-Szenario“ verhindern? 
Man kann dieses Szenario soweit unterbinden, dass man aufhört zu podcasten. Dann gibt es keine Inhalte mehr, die wir machen, dann gibt es Antenne Bayern nur noch auf UKW und daran kommt keiner vorbei, weil es nicht medienneutral und modular aufgebautirgendwo auf einem Server liegt. Damit kann man das natürlich unterbinden. Obman dann damit was gewonnen hat, ist die andere Frage. Aber dann kann man sich gleich zurückziehen aus dem ganzen Onlinemarkt, weil man dann auch dort nicht mehr auftauchen will. Seine Archive ein Stück weit offen zu legen, heißt natürlich dann auch, von einer Audio-Suchmaschine gefunden zu werden in modularen Angeboten. Dass man den Weg nicht mitgehen muss, dass man Inhalte und Werbung vermischt, das sehe ich schon so. Das ist einfach eine Frage der Qualität. Dann muss man halt überlegen, ob man gewisse Inhalte mit Zugriffssperren versieht. Man kann ja auch Inhalte aufeinen Server legen, die öffentlich zugänglich sind, und andere Inhalte, wo man sagt: Das ist ein Premiumangebot, das muss ich vielleicht sogar bezahlen. Diesen Schritt haben wir zwar bei Antenne jetzt nicht, aber diesen Schritt muss man sich dann überlegen, wenn das die einzige Möglichkeit ist, Inhalte zu finanzieren. Ob das beim Radio funktioniert, da bin ich eher skeptisch. Aber man muss nicht alles frei auf den Markt schmeißen, sodass dann irgendwelche Anbieter kommen und das senden. Das Problem ist eigentlich, dass es im Internet momentan so eine Selbstbedienungsmentalität gibt. Das sieht man bei Google und bei YouTube sehr schön. Die Anbieter in San Francisco setzen sich da über sämtliche Copyrights hinweg und nehmen einfach alles in ihre Plattformen auf, was nicht niet- und nagelfest ist. Das ist so ein bisschen das Problem, das ich bei diesem Thema Podcasting sehe, dass da durchaus die Gefahr ist, dass es irgendwann solche Audiorobots gibt, die sich das alles zurechtsuchen. Aber es muss erstmal einer kommen, der das baut und es muss auch erstmal jemanden geben, der das nutzt. Und solange diese Nutzung sich in minimalen Größenordnungen bewegt, ist da überhaupt kein Drama dabei. Sollte das in die Millionennutzung gehen, dass man wirklich auch so einen eigenen Werbemarkt dadurch gefährdet, da muss man sich natürlich überlegen, ob und wie man darauf reagiert. Aber ich glaube sowieso nicht, dass eine klassische Radiowerbung in so einem Portal funktionieren würde, wenn jemand aufdie Idee kommt zu sagen: Wir senden einen Titel von Robbie Williams, wir senden danachdas Bayern 1-Betthupferl und danach die Antenne Bayern-Nachrichten, und zwischendrin haben wir einen Werbeblock von 20 Sekunden. Das würde auch der User nicht annehmen, weil das völlig an dem jetzigen Userverhalten vorbeigeht. 

User Generated Content in Bezug auf Podcast. Macht Antenne Bayern etwas in dieseRichtung? 
Wir haben die Soundgarage. Das ist eine Plattform, wo Bands selbst Musik machen können; Nachwuchsbands in Bayern werden dort gefördert. Und das ist hundertprozentig User Generated Content. Bands laden ihre Musik auf Antenne.de bzw. auf soundgarage.antenne.de. Wir haben einen Podcast, das ist der Soundgarage-Podcast, wo wir uns Bands herausziehen und die musikredaktionell beleuchten. Wir schauen, ob die spannend sind oder nicht spannend sind. Wenn man so will, ist das User generated Podcasting, weil wir uns aus diesem Portal, wo viele tausend bayerische Bands drin sind, uns ein paar Nachwuchstalente rausziehen und die in einem Podcast vorstellen. Das ist also letztendlich nichts anderes, als User Generated Content - nur dass der Podcast selbst noch nicht von Usern generiert wird, sondern von Antenne Bayern redaktionell betreut wird. Das muss ja auch so sein, weil es ja auch von uns veröffentlicht werden muss. 

Wird Antenne Bayern in Zukunft mehr Podcast machen oder sagt man, das passt jetzt erstmal so? Wir schauen jetzt mal, wie das läuft und wie die Erfahrungswerte sind. Ideen gibt es danoch viele. Es gibt im Programm so viele Inhalte, die wir noch verbreiten könnten alsPodcast, dass wir da eigentlich noch keinen Deckel zumachen müssen. Ob sich das rentiert, ob wir das machen, ist eine andere Frage, aber ich denke, dass wir jetzt erstmal einganz gutes Portfolio haben.

Dossier

Workshop: Live-Reportagen im Radio

Dieser Eintrag ist eine kleine Nachlese auf das Live-Reportage-Seminar, dass ich immer wieder beim Münchner Aus- und Forbildungsradio, M94,5 halte.