Was Facebook mit dem Leistungsschutzrecht zu tun hat

Neue Geschäftsmodelle im Journalismus

Die Schlammschlacht um das Leistungschutzrecht zwischen Google und den deutschen Verlagen ist eröffnet. Martin Weigert schreibt sogar vom Kampf gegen den finalen Endgegner. Von außen wirkt es wie ein Graben zwischen den Verfechtern des freien Internets und ein paar grauen Eminenzen, die ein Geschäftsmodell erhalten wollen, dessen Verfallsdatum bereits abgelaufen ist.

Don Dahlmann schreibt in diesem Moment, dass sich in dieser Situation Blogger zu verlagsähnlichen Strukturen zusammenfinden sollten. Er hat Recht.

Nie war der ökonomische Ausblick gegen etablierte Verlagsstrukturen besser. Ich möchte das am Beispiel einer Verlagswebsite und der Rolle von Facebook als Vermarkter zeigen. Warum sollte ein Werbekunde eine Anzeige auf einer Verlagswebsite schalten, wenn er dieselbe Zielgruppe besser und billiger auf jeder andren Website erreichen kann?

Geschäftsmodell: Die subtile Vermarktung von Personendaten

Der Verlag Gruner + Jahr hat beispielsweise vergangene Woche die Financial Times dicht gemacht und die Abo-Daten an seine Konkurrenz vom Handelsblatt verkauft. Diese Form von Adresshandel ist in Deutschland legal, auch wenn sie einigen negativ aufgestoßen ist. Verlage sind schon immer Vermarkter von Kontakten gewesen. Ob als regionale Vermarkter, Vermarkter einer Zielgruppe oder im Direktmarketing bei der Vermarktung von Abonnenten. Die Vermarktung von Kontakten ist im Web nur subtiler geworden. Es lohnt sich die Frage, was Verlage wie Gruner + Jahr, Axel Springer und Burda und auf der anderen Seite Netzwerke wie Facebook und Google eigentlich über die Leser wissen.


Wie gut Verlage ihre Leser kennen:

Nehmen wir zum Beispiel Focus.de aus dem Burda Verlag, stellvertretend für viele andere Verlagswebsites: Jeder Leser auf focus.de hinterlässt eine IP-Adresse. In dieser IP-Adresse sind, wenn sich Burda an die Spielregeln hält, wovon auszugehen ist, keine personenbezogenen Daten. Focus.de kann mit einem Webanalyse-Tool herausfinden, welche Seiten besonders häufig aufgerufen werden, woher der Nutzer kommt, was er innerhalb der Focus.de als nächstes klickt.

Wie gut der Vermarkter die Leser kennen:

Auf jeder dieser Seiten befindet sich Werbung, diese wird im Beipiel von focus.de über den Hausvermarkter von Burda verkauft. Der Vermarktungspartner weiss schon etwas mehr über den Nutzer als die Webmaster von focus.de. Der Vermarkter weiss, ob der Leser auch auf einer anderen Website war, die ebenfalls von ihm vermarktet wird. Vielleicht hat der Vermarkter auch ein Cookie auf dem Rechner des Leses hinterlassen und kann den Nutzer so über mehrere Wochen und die Nutzung mehrere Websites aus dem eigenen Vermarktungsportfolio tracken und ein Profil für die perfekte Werbeauslieferung erstellen.

Wie viel Facebook, Google und Twitter über die Leser wissen:

Auf der Seite von Focus.de befindet sich auch ein Like-Button von Facebook, ein Plus1 Button von Google Plus, sowie der Twitter-Button. Nun alle diese Plattformen wissen über Focus.de mehr als Hurbert Burda in seinem ganzen leben. Alle diese Plattformen sind auf Millionen konkurrierender oder themenfremder Websites verteilt. Selbst, wenn Nutzer keinen Account bei Facebook, Google oder Twitter haben, so lassen sich über diese Plugins pseudonyme Profile über die Websitenutzung von Focus.de im Vergleich zu allen andern Websites erstellen.

Hat der Nutzer einen Account in der jeweiligen Plattform, können Facebook, Google und Twitter auch personenbezogene Statistiken über die Websitenutzung erstellen. Ob sie dies tun ist ungeklärt, technisch jedoch möglich.

Die Konsequenz: Soziale Werbeanzeigen

Facebook hat derzeit das technisch beste Targeting und mit über einer Milliarde Nutzer das beste Inventar an Nutzerdaten. Das Ergebnis ist eine passgenaue Werbung innerhalb von Facebook, die Firmen selbst buchen können.

Derzeit gibt es diese Anzeigen allerdings nur innerhalb von Facebook. Doch Facebook wird diese Anzeigen über kurz oder lang auch wie ein den Like-Button als Plugin für externe Websites anbieten.

Bis zu diesem Moment hat Google Zeit, sein soziales Netzwerk Google Plus in die Gänge zu bekommen. Denn derzeit kann Google seine Anzeigen auf externen Websites noch nicht mit personenbezogenen Daten in Verbindung bringen.

Was passiert mit der Vermarktung von Verlagswebsites?

Vermarkter setzen zunehmend auf Targeting und wollen Werbung passend zur Zielgruppe ausliefern. Google zählt mit seiner Keyword-Werbung dabei zu den wichtigsten Vermarktern und liefert eine genaue Erfolgsauswertung. Facebook zählt zu den wichtigsten Vermarktern im Social Web. Beide Konzerne drängen die klassischen Vermarkter von Displaywerbung zunehmend in den Hintergrund. Trotz des Targetings benötigen Anzeigen eine große Reichweite. Wenn Verlage ihre Websites nun hinter einer Paywall verschließen, dann sinkt die Reichweite drastisch. Gleichzeitig können Verlage aber über die Registrierung von Lesern, die möglichweise nur Minibeträge bezahlen müssen nun zielgruppengerecht vermarkten. Die Kombination aus Targeting und Bezahlinhalten erscheint auf den ersten Blick erfolgsversprechend.

Chance für Blogger und Autorennetzwerke

Durch den Kampf um das Leistungsschutzrecht und das Verschließen der Inhalte hinter einer Paywall riskieren professionelle Verlage ihre bisher hohe Reichweite. Gleichzeitig werden Blogs und verlagsfremde Websites im Ranking der reichweitenstärksten Websites (Nein, nicht die IVW) immer relevanter.

Bereits heute sind auf nahezu allen Blogs auch Facebook-Plugins oder Google-Elemente (Anzeigen, Maps, YouTube-Videos), so dass die beiden Anbieter jederzeit auch ohne Verlagswebsites ein relevantes Werbeumfeld für nahezu alle Themen liefern können. Dies macht es für Werbekunden äußerst attraktiv.

Wozu sollte ein Werbekunde also bei einer Verlagswebsite eine Anzeige schalten, wenn er exakt dieselbe Zielgruppe auch auf jeder anderen Website ansprechen könnte. Darin besteht die Chance für neue Plattformen, Blogger oder kleinere verlagsähnliche Autorennetzwerke, denen eine völlig neue Erlössituation offen steht.

Natürlich steht es allen Autoren, Bloggern oder Verlagen auch frei, Inhalte ohne Werbung, personenbezogene Werbung oder Vermarktung von Abonnenten zu veröffentlichen.