Was Radiosender von Apple Music lernen können

Für alles, was Radio mal ausgemacht hat, gibt es heute eine App.

Morgen startet Apple Musik. Als Nachfolger von iTunes will Apple nun seinen eigenen Radiosender und Streamingdienst starten. Ein Lehrstück, wie Algorithmen und von Menschen kuratierte Inhalte zusammenfinden. Spotify hat in den letzten Jahren Musikredakteure beschäftigt und manuelle Playlisten für verschiedene Stimmungen erstellt. Apple hat nun eine eigene Live-Radiostation und setzt auf etablierte und bekannte Moderatoren und Djs.

"Pah!", sagen manche Radiomacher! Dass Apple jetzt den Radiomarkt entere, sei nur ein Zuspruch für die Branche, so ein Statement auf den Lokalrundfunktagen in Nürnberg. "Beats 1 ist ein Push für unsere Branche, dass Apple wieder das Wort 'Radio' verwendet", sagte Martin Kunze von Antenne Bayern (Disclaimer; meinem früheren Arbeitgeber). Doch so einfach ist es für die Radiobranche nicht. 

Alles, was Radio mal einzigartig gemacht hat, dafür gibt es heute eine App.

Wetter, Verkehr, Nachrichten. Spätestens seit Twitter ist Radio auch nicht mehr das schnellste Medium der Welt. Was den Sendern und ihren Moderatoren bleibt ist die Emotion - einer der größten Hebel. Umso fataler ist es, wenn die Wettermeldungen damit enden, dass ich "mehr Wetter" auch online finde. Wer will denn "mehr Wetter"? Wir wollen online nicht mehr Informationen, wir wollen relevantere Informationen. Für die Relevanz sorgen Algorithmen, die unser Nutzerverhalten kennen und Trends auf Geobasis und Netzwerkströmungen erkennen können. Menschen sorgen für die Feinjustierung oder übernehmen die Kuratierung und den Quellencheck. Wenn Apple und Spotify jetzt also Redakteure einstellen, dann ist dies ein zentraler Angriff auf die Grundpfeiler der Sender.

Radiomacher glauben nicht an Personalisierung

Nutzer wollen nicht zum Programmdirektor werden, höre ich seit vielen Jahren von den Kollegen beim Radio. Das stimmt womöglich. Aber Personalisierung bedeutet auch nicht, dass der Hörer jeden Song selbst wählt. Vorbild sind die Newsfeeds von Facebook und Twitter. Wir entscheiden uns nicht für einen bestimmten Inhalt, sondern verraten über unsere Vernetzung und Likes mehr über unsere Bedürfnisse als es uns manchmal vielleicht sogar bewust ist.

Aber Radio wird es doch immer geben! (ja?)
Ich habe vor ein paar Jahren auf den Lokalrundfunktagen "UKW für tot, tot, tot" erklärt - und es lebt immer noch. Aber es hustet ganz schön. Der Werbemarkt ist so klein geworden, dass es für Vermarkter keine Rolle mehr spielt, über Audiovermarktung nachzudenken, sie buchen es im Medienmix halt einfach mit. Die kleineren UKW Sender spüren das. Nur die großen Sender profitieren von dieser schleichenden Irrelevanz. Das Thema Targetig ist für Marken weiterhin schwierig, aber Werbekunden machen ihre Erfahrungen in den sozialen Netzwerken. Sie bauen sich eigene Reichweiten auf und pumpen gewaltig Geld zu Facebook, das sein Geld zu 70% als mobiles Tagesbegleitmedium verdient. 

Reichweite und Likes sind nur Fassadenmetrik

Medienunternehmen hatten bisher die Reichweite und damit den Zugang zum Nutzer, diese Reichweite haben Medienhäuser an Werbekunden abgegeben, die diese Kunden selbst dann fangen mussten. Heute können Marken selbst ihre Reichweite aufbauen. Was Marken dabei nicht vergessen dürfen ist, dass Likes nur eine erste Bestätigung der Reichweite sind. Marken müssen eine tiefere Vernetzung aufbauen, um von der Reichweite zu profitieren, sonst sind sie in derselben Situation wie Medien, die ihre Rolle gerade neu definieren müssen.

Es reicht also nicht mehr für Medienunternehmen einfach eine große Reichweite zu bündeln und zu vermarkten. Es braucht auch ein tiefes Wissen, über das (pseudonyme) Nutzerverhalten. Marken werden gerade selbst zu Medienunternehmen, während Medienunternehmen zur Marke werden wollen. Hier schließt sich dann auch der Kreis zum Video oben, einem Vortrag, den ich vergangene Woche zu Data Driven Marketing gehalten habe.